Seit Entwicklung des World Wide Web gehen Menschen zu sorglos mit ihren Datenspuren um. Wer Internet und Handy nutzt, wird dank Vorratsdatenspeicherung schnell zum »gläsernen Bürger«, zum »gläsernen Journalisten«, zum »gläsernen Informanten«. Die Nutzung jener Suchmaschinen, die IP-Adressen systematisch mit Abfrage-, Konsum-, Kommunikations- und fotografischen Wohnprofilen zusammenführen (können), wird zum privaten und beruflichen Risiko, z.B. Klassifikationsrisiko. Mit jedem Mehr an Verknüpfung bislang getrennter Datenbestände wachsen auch – unter der Tarnkappe des »internationalen Kampfs gegen den Terrorismus« – behördliche Begehrlichkeiten nach globaler »Totalüberwachung«. Ebenso die Begehrlichkeiten des weltweiten Einzelhandels nach den potentesten Konsumentenprofilen. Und damit auch die staatliche bzw. kommerzielle Dienstbarmachung von Abfrageprofilen. Zentrale Steuer-ID, zentrales Melderegister, automatisierte Kfz-Kennzeichen-Erfassung und RFID-Technologie werden flankierend – in ihrer Kehrseite – zum Füllhorn und Optionsparadies moderner Jäger und Sammler.
Jede berufliche oder private Recherche hinterlässt solche Datenspuren, an denen zahlreiche Institutionen Interesse haben. Beispielsweise Behörden, um »undichte Stellen« in ihren eigenen Reihen herauszufinden. »Undichte Stellen«, das können sog. »Whistleblower« sein, die negative Praktiken einer Behörde ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken wollen, und sich daher an Journalisten wenden. Einschlägiger Vorwurf gegen Interne, die der Öffentlichkeit eine realitätsdichtere Wissenskonstruktion ermöglichen wollen: »Verletzung des Dienstgeheimnisses« nach § 353b StGB. Wieder und wieder wurden Journalisten durch Haus- und Redaktionsdurchsuchungen sowie Gerichtsprozesse »weichgekocht«, um durch sie an die Identität »illoyaler« behördeninterner Informanten zu gelangen. »Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses« liest sich das beispielsweise in einer Anklage der Staatsanwaltschaft. Mit zunehmenden Erfassungs- und Datenabgleichsmöglichkeiten braucht man nur noch z.B. via RFID-Signal oder Bewegungsprofil zu lokalisieren, wer wo mit wem – z.B. mit eingeschaltetem Handy – gemeinsam im Café oder auf der Parkbank saß. Potenzielle Informanten und investigative Journalisten werden sich mehr und mehr überlegen, wie und mit wem sie elektronisch kommunizieren – und mit welcher »Sicherheitsstufe«. Oder ob sie überhaupt noch »Unerwünschtes« publizieren. Bezahlte verbale Beschönigungen durch PR-Lobbys dominieren dann zunehmend die öffentliche Wissenskonstruktion, professionell getarnt als scheinbar unabhängige Redaktionsberichte, scheinbar neutrale Studien und amtliche Agenturmeldungen.
»Unerkannt im Netz – sicher kommunizieren und recherchieren im Internet« von Peter Berger [2008] informiert auf fast 300 Seiten über praktische Anwendungsmöglichkeiten. Beispielsweise über die »leistungsstärkste Metasuchmaschine der Welt« (ixquick), die keine IP-Adressen speichert und keine Abfrage- und Kommunikationsprofile generiert. Ein Fachbuch, das sich insbesondere an wissensbasierte Berufsgruppen wendet, die bislang nur in Sonderfällen ausgespäht werden durften (und die ein besonderes Interesse am Schutz ihrer »Kunden« haben): Journalisten, Juristen, Geistliche und Ärzte. Und indirekt ein Fachbuch, das der interessierten Öffentlichkeit auch in Zukunft eine realitätsdichtere Wissenskonstruktion ermöglichen helfen kann, als Pressesprecher dies je tun würden – oder arbeitsvertraglich tun dürften.